Musikalische Reise durch die Kulturen mit “Captured Moments” im Huberhof in Airischwand

 

Mit „Captured Moments“ stand diesmal Musik eines Flötentrios aus Konstanz auf dem Programm des MFK Nandlstadt. Flöte? Denkt man da nicht an erste musikalische Versuche in Kindergarten und Grundschule zurück - gar an die obligatorischen Weihnachtslieder mit Blockflöte? Weit gefehlt! War da nicht noch mehr? Zum Beispiel “Locomotive Breath“ von Ian Anderson (Jethro Tull) oder der niederländische Flötist Thijs van Leer mit seiner Rockband “Focus“, die ihrer Flöte mehr als nur liebliche Melodien entlockten!

 

Charles Davis-Bandleader, Komponist und Flötist der Gruppe beherrscht sein Instrument traumwandlerisch sicher. Spielerisch mischt er den Ton seines Instruments mit der Überblasetechnik mehr und mehr Windgeräusche bei, bis nur noch ein perkussives, rhythmisches Gerüst übrig bleibt, das den Rahmen für weitläufige Improvisationen vorgibt. Ebenso lässt der Meister aus anfänglich rein rhythmischen Windgeräuschen in kaum merklicher Steigerung langsam Melodien erkennbar werden, bis der klare Ton des Instruments die Überhand gewinnt und die Melodie des Stücks in den Vordergrund rückt.

 

Charles Davis verwendet Querflöten in allen Größen und Tonlagen. Nach dem Konzert fiel mir folgende fiktive Szene ein: Ich sitze bei Günter Jauch und die 1 Millionen Euro-Frage lautet: „ Wie groß ist eine Kontrabassflöte?“. Antwort A) 1,50 m , B) 1,80 m , C) über 2 m , D) es gibt keine Kontrabassflöte! Der Publikumsjoker hätte wahrscheinlich zu 80% auf Antwort D gesetzt. Ich aber wähle Antwort C, weil  ich an diesem Abend eine Kontrabassflöte mit eigenen Augen gesehen - und noch besser -  mit eigenen Ohren gehört habe! Was spielt man denn auf so einem Ungetüm? Charles Davis stellt das Instrument in einem Solostück vor und lässt sich dabei von Jimi Hendrix inspirieren. Hendrix auf der Flöte? Oh ja! Die kurz angestoßenen tiefen Töne bilden einen rhythmisch federnden Beat, über den sich das „Gitarrenriff“ entfalten kann. Mit der Überblasetechnik treibt Charles Davis das Instrument in höchste Register bis sich polyphone Klänge entwickeln, die bei mir den gleichen Effekt wie so manches E-Gitarren Solo haben: wohlige Schauer breiten sich über den Rücken aus, und gehen schließlich in Gänsehaut über. Herrlich! Das Stück FLENDRIX ist übrigens auch auf der sehr empfehlenswerten, bei Tonsee-Records erschienenen Live-CDPathways“ zu hören.

 

Das Programm des Trios besteht fast ausschließlich aus Eigenkompositionen von Charles Davis. Zum Teil verarbeitet er seine Urlaubsimpressionen ("Skies of Provence", "Porto Maurizio") oder erkundet fremde Kulturen wie in „Almost a Raga“ oder „Balkan Dance“. Aber auch der Gitarrist Sven Götz trägt mit eigener Handschrift zwei Kompositionen zum Programm bei. Sven Götz ist ein Virtuose auf seinem Instrument. Er wählt mit Bedacht zwischen einer akustischen Gitarre mit Stahlsaiten und einer nylonsaitigen klassischen Gitarre, die zur Begleitung vorwiegend  gezupft, im Solo aber auch mit dem Plektrum gespielt wird und dabei einen wunderbaren perkussiven Ton entfaltet.

 

Überhaupt war der Sound des Trios ein weiteres Highlight des Abends - immer durchsichtig und trotzdem jedes Instrument mit eigener hoher Präsenz hörbar. Selbst der Kontrabass von Steffen Hollenweger klang voll ohne zu dröhnen und zeigte erstaunliches Sustain mit wunderbar warmen Ton in den Solopassagen. Die Arrangements waren durchwegs auf die Besetzung abgestimmt. Kein zusammen gewürfeltes Session-Trio also, das man hier zu hören bekam. Die Musiker spielen seit mehr als 2 Jahren in unveränderter Besetzung!

 

Zum Schluss noch ein paar Worte zum Musikstil des Abends. Es war Ethno-Jazz angekündigt. Das typische Jazz-Idiom mit off-beat im Rythmus und synkopierten Sololinien wurde allerdings nur selten bemüht ("Blues for Saliba" oder „Blue in Green“ von Miles Davis als Duett von Gitarre und Bass vorgetragen). Vielmehr wurde man mit auf eine musikalische Reise durch unterschiedlichste Kulturen von Europa über Afrika bis nach Asien genommen. Ein Konzert der leisen Töne, dessen Musik eher Bilder von Landschaften oder Karawanen im Kopf des Zuhörers entstehen ließen als den Puls desselben in die Höhe zu treiben. Charles Davis wusste die Zuhörer mit seinen ruhigen humorvollen Ansagen auf dieser Reise durch die einzelnen Reise-Etappen zu führen. Dem Trio ist zu wünschen, dass es nicht nur zu Hause in Konstanz den Geheimtipp-Status verliert und auch in unserer Region deutlich mehr Zuhörer in seine Konzerte lockt. 

 

S.B.